8. Mai 2003: Hagel im Säuliamt
Am ersten grossen Gewittertag des Jahres zogen mehrere Hagelzellen durchs Mittelland. Lokal wurden Hagelkörner von Tennisballgrösse beobachtet. Mit dem ETH-Radar wurde eine Hagelzelle gut erfasst. Diese bildete sich um 18:50 Uhr bei Willisau, zog nordostwärts und schwächte sich erst nach 21 Uhr, nach Überqueren der Stadt Zürich, langsam ab.
Wir interpretieren in dieser Rückschau diverse Bildaufnahmen des ETH-Radars und zeigen auch etwas spezielle Darstellungen der Dopplergeschwindigkeit.
Helicity-Darstellung um 16:25 Uhr des Windprofils des ETH-Radars
Diese Grafik zeigt die Windverhältnisse im Bereich des ETH-Radars ca. 3 Stunden
vor Auftreten des Unwetters. In dieser Darstellung wurde
die Bewegungsrichtung und die Geschwindigkeit einer "right-mover"
Superzelle wie folgt berechnet:
- Richtung: aus 240 Grad (SW-WSW)
- Geschwindikeit: ca. 5 m/s oder 18 km/h
In Wahrheit war die Willisau-Zürich Zelle etwas schneller, nämlich etwa 8 m/s oder 30 km/h. Die Bewegungsrichtung hingegen stimmte gut mit der Vorausberechnung überein. Das kann man der folgenden Bildsequenz entnehmen:
Animation der ETH-Radarbilder zwischen 19 und 20 Uhr
Die Zugbahn der Zelle gegenüber dem mittleren Wind ist nach rechts abgewichen, also in der Tat ein "right-mover". Infolge der grösseren Zuggeschwindigkeit dürfte auch die "storm-relative" Helicity grösser gewesen sein als vorausberechnet, wohl etwa im Bereich von 100-150 m2/s2. Damit kommt man durchaus in den Bereich, welcher für Superzellen typisch ist.
Aber war es auch eine Superzelle?
Ein erster Hinweis hierzu gibt die Echoform: auf der Ostseite des Radarechos erkennt man eine charakteristische und über längere Zeit bestehende Einbuchtung: ein Hinweis auf eine sog. weak echo region ("WER")
Radarbild um 19:25 Uhr
Diverse Vertikalschnitte durch die Zelle bestätigten die Existenz einer WER.
Vertikalschnitt, aufgenommen um 19:12 Uhr
Vertikalschnitt-Sequenz (leider lückenhaft)
Auffallend die grosse horizontale Erstreckung der WER: 10-15 km. Der Niederschlags-Überhang über der WER sinkt langsam ab, bis er den Boden erreicht. In diesem Überhang wachsen die Hagelkörner. Man kann also verfolgen, wie sich die Hagelwachstumszone mehr und mehr nach unten gegen den Boden hin ausbreitet. Unterhalb der Nullgradgrenze kann starkes Schmelzen der Hagelkörner einsetzen, welche im Aufwind langsamer zu Boden fallen, als das bei fehlendem Aufwind der Fall wäre. Von den schmelzenden Hagelkörnern können sich Wassertropfen lösen und mit dem Aufwind wieder nach oben getragen werden. Diese Wassertropfen können dann zu einem Zentrum von neuen Hagelkörnern mutieren, sobald sie gefrieren und unterkühlte Wolkentröpfchen angelagert werden, welche beim Kontakt mit dem gefrorenen Kern ebenfalls gefrieren.
Gab es auch Rotation?
Entscheidend für eine Superzelle ist der rotierende Aufwind (auch "Mesozyklone" genannt). Mit Radarmessungen der Dopplergeschwindigkeit kann eine Mesozyklone nachgewiesen werden. Wir zeigen mehrere Radarbilder (Horizontal und Vertikalschnitte) und interpretieren die mit dem Radar beobachteten Doppler-Windfelder. Wegen der sog. "Faltung" der Dopplermessungen ist deren Interpretation nicht ganz einfach. Wir verzichten deshalb darauf, unsere Interpretation im Detail zu begründen.
Horizontalschnitt (PPI, 19:15 Uhr, 1 km über Grund)
Horizontalschnitt (CAPPI, 19:12 Uhr, 5 km über Grund)
Horizontalschnitt (PPI, 19:45 Uhr, 0.5 km über Grund) eine halbe Stunde später:
Horizontalschnitt (CAPPI, 19:46 Uhr, 5 km über Grund)
Die Signaturen belegen starke azimuthale Scherung in mittleren Höhen, welche als Rotation interpretiert werden kann. Es ist also davon auszugehen, dass es sich bei der analysierten Zelle um eine Superzelle handelte.